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Hubertus heute-Gedanken nicht nur zum Hubertustag

von Pastor i.R. Hans-Ulrich Kruse, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft Soltau e.V.. Notiert in Anlehnung an eine Predigt, die er in der Hubertusmesse am 1. November 2015 in der St. Johanniskirche in Soltau gehalten hat.

 

(Vorbemerkung des Verfassers: Um der Lesbarkeit willen habe ich auf eine gerechte Sprache verzichtet – die femininen Formen der Nomen kommen nicht vor. Wen das ärgert, möge in Gedanken immer das feminine –in, „die“ oder „sie“ ergänzen, gern auch vor der männlichen Form der Nomen und möge, sofern ihr oder ihm das möglich ist, Nachsicht mit mir haben.)

 

Das ist schon ein komischer Heiliger, der  St. Hubertus. Komisch ist vielmehr, dass er zum Schutzpatron der Jäger wurde. Denn er hat sich nicht vom wilden, hemmungslosen zum waidgerechten Jagen bekehrt, sondern er hat aufgehört zu jagen. Das ist in etwa so, als würden die Winzer einen Abstinenzler zum Schutzpatron haben oder die Fleischer einen Veganer.

 

Deshalb hatte ich innerlich immer eine gewisse Distanz zu Hubertus. Er war für mich kein Vorbild; denn ich will nicht aufhören zu jagen. Aber ich habe inzwischen entdeckt, es lohnt sich, sich mit Hubertus zu beschäftigen. Und das möchte ich hier in zwei Gedankengängen tun:

 

1. Was Hubertus nicht ist

2. Was Hubertus ist

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1. Was Hubertus nicht ist.

 

Was für einer wäre Hubertus im Jahr 2016? Einer, der hemmungslos, wild jagt, ein Schießer, der den Finger krumm macht auf alles, was sich bewegt? Ich habe in 31 Jagdjahren nur einen kennengelernt, der so ist. Der wurde allerdings sehr bald geächtet, wurde nicht mehr eingeladen, ist überall, wo er sich jagdlich tummelte, rausgeflogen.

 

Ein wilder hemmungsloser Jäger heute ist für mich einer, der Rehwild als Schädling ansieht. Der schießt, ohne anzusprechen. Und das ist ja seit der Verlängerung der Jagdzeit auf Rehböcke bis zum 31. Dezember möglich. Ich frage, ob man eine maximale Rendite aus seinem Wald rausholen muss und deshalb Schalenwild – Rehwild, Rotwild, Damwild, Muffelwild – als Schadwild ansieht und bekämpft, wo es nur geht? Haben wir mit der Maxime „Wald vor Wild“ einen Forstkapitalismus, der nur noch auf Gewinnmaximierung zielt?

 

Man kann mich für einen Linken halten, wenn ich so rede. Aber die BRD hat mal mit dem Ideal von sozialer Marktwirtschaft angefangen. Eigentum verpflichtet, zum Wohl der Gemeinschaft zu sorgen. Auch das Landes- und Staatskapital ist verpflichtet, für das Wohl einer ausgewogenen Natur zu sorgen, in der auch alle heimischen Wildarten eine Daseinsberechtigung haben. Man kann nicht sagen: das eine geht vor. Unser Staat hat Milliarden für die Rettung von Banken ausgegeben, warum kann er dann nicht auch Geld in die Erhaltung der Wälder mit einem artenreichen Wildbestand investieren?

 

Ja, das sind Nadelstiche, ich provoziere bewusst. Wenn in einer Predigt alles nur Freude und Sonnenschein ist, kommt man nicht weiter. Zum Nachdenken kommt man, wenn man dazu herausgefordert wird.

 

Ich will aber nicht nur Jäger und Forstleute herausfordern. Hubertus heute, jemand, der wild und hemmungslos lebt, das ist unsere Konsumgesellschaft, sind Menschen, die viel Geld ausgeben für Reisen und Unterhaltung. Die immer das neueste I-Phone haben, aber für die es Fleisch in Massen und billig geben muss. Und wenn bei der Wurst das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder man satt ist, kommt die Wurst oder das halbe Schnitzel in den Müll.

 

Was wir an Fleisch und Wurst konsumieren, stammt von Lebewesen. Das wurde nicht in einer Fabrik produziert und ist auch nicht auf Bäumen gewachsen. Tiere empfinden Glück, Lust, auch Angst und Schmerzen. Sie haben einen Willen, können ihn äußern. Und sie haben eine Seele im Sinne von „Psyche“. Wer einen Hund oder Katze hat, weiß das. Man braucht so einem Tier nur in die Augen zu schauen um das zu erkennen. Schweine, Rinder, Hühner und Puten haben auch eine Seele. So ein Tier wird geschlachtet, damit ich leben kann. Und das landet in der Mülltonne, weil man zu viel auf dem Teller hatte und nicht mehr mag? Jeder, der Fleisch isst, müsste wenigstens einmal im Leben selber ein Tier schlachten. Dann würde er nicht mehr gedankenlos mit dem Lebensmittel Fleisch umgehen.

 

Wenn mir gesagt wird: „Jäger sind Mörder“, dann lautet meine Antwort: „Wenn du nicht total auf tierische Produkte verzichtest, auch auf Milch, Eier Käse, Leder, Wolle, Honig, dann lässt du andere für dich töten, anonym und ohne zu wissen, wie und wo das geschieht. Das ist feige und verantwortungslos. Wenn ich ein Tier töte, erlebe ich das hautnah  und trage die volle Verantwortung für seinen Tod. Ich sehe zu, dass es möglichst schnell und schmerzlos stirbt. Da gehe ich auch anders um mit dem, was ich esse. Weil er für den Tod eines Tieres Verantwortung trägt, trainiert ein waidgerechter Jäger seine Schießfertigkeit. Und er zollt dem Tier, das er erlegt hat, Respekt. Ich finde es wichtig, dass auch auf der Einzeljagd ein Stück Schalenwild die gerechten Brüche bekommt und man am erlegten Wild noch einen Moment innehält und sich Gedanken über sein Tun macht.

 

Ich habe ein paar Probleme von 2016 an Hubertus herangetragen. Ich glaube, er will, dass wir ins Nachdenken kommen, das haben Heilige so an sich. Aber das alles ist nicht der wirkliche Hubertus, ist nicht das, was diesen Heiligen ausmacht.

 

2. Was Hubertus ist

 

Weshalb war Hubertus der Legende nach ein wilder und hemmungsloser Jäger? Er jagte auch am Sonntag. Ich höre jetzt geradezu innerlich den Einwand: „Oh, typisch Kirche! Jetzt kommt der moralische Zeigefinger!“ Ehrlich gesagt, ich verstehe, wenn jemand, der die ganze Woche im Stress ist, am Sonntag ausschlafen will, mit der Familie gemütlich Brunch essen und dann was Schönes unternehmen. Oder wenn ein Mensch am Sonntagmorgen lieber draußen in der Natur ist statt in einer kalten Kirche mit einer Predigt, die ihm nichts sagt.

 

Ich sehe bei Hubertus das Problem an einer anderen Stelle. Der will mit Gott nichts mehr zu tun haben. Seine Frau ist bei der Geburt des Kindes gestorben. Hubertus ist voller Schmerz und Verzweiflung. Er kann nicht mehr an den lieben Gott glauben. Und was die Pfaffen gesagt haben, hat ihm auch nicht geholfen. Er sucht seinen Schmerz zu betäuben, will vergessen, an was anderes denken. Darum jagt er. Das kann ich verstehen. Das ist kein Hobby wie Briefmarken sammeln, obwohl es auch leidenschaftliche Briefmarkensammler gibt.

 

Hubertus ist ein passionierter Jäger, einer, der mit allen Sinnen in der Natur ist. Er beobachtet, pirscht, sitzt stundenlang. Dabei fährt er innerlich runter, die Gedanken laufen. Und dann: Der Puls schnellt hoch. Da kommt kein Lebenshirsch, „nur“ ein Knopfbock. Das Jagdfieber packt ihn, er wartet, bis der Bock auf Schussdistanz ran ist. Dann lässt er seinen Pfeil fliegen. Der trifft, sitzt im Leben, der Bock liegt. Hubertus atmet tief durch. Er freut sich über den guten Schuss, freut sich an der Beute und gleichzeitig trauert er um das Tier.

 

Das ist Hubertus! Aber das nicht kontrolliert, weil vernünftige Jagdgesetze ihn disziplinieren und er unter einem hohen Anspruch von Waidgerechtigkeit steht, oder weil seine Ehefrau zu Hause sitzt, die auch mal was von ihrem Mann haben will, sondern er ist eben wild, hemmungslos, exzessiv. Dafür hat er ja auch einen Grund, seinen Schmerz. Die bohrende Frage: „Wie kann Gott das zulassen? Warum musste mir das Liebste sterben?“

 

Was hat ihn bekehrt? Wodurch ist er zum Heiligen geworden? Nicht der Lebenshirsch, sondern das Kreuz stand vor seinen Augen. Das Kreuz steht für den Gekreuzigten. Da hat sich einer festnageln lassen, hat sich ganz bewusst für diese Qual entschieden, um eins deutlich zu machen: Gott ist kein ferner Gott, ist kein grausames Schicksal. Er kommt ins Leiden. Er ist im Leiden bei dir. Deshalb wirst und kannst du, Hubertus, noch nicht verstehen, warum deine Frau gestorben ist. Aber Gott weint mit dir, leidet mit dir. Und - er leidet an dir. Ihm ist es nicht egal, dass du in Gottvergessenheit lebst, nicht egal, dass du deinen Schmerz zu betäuben suchst, statt damit zu ihm zu kommen. Warum glaubst du, Gott hätte dir das angetan? Warum willst du nicht gegen Gott zu Gott flüchten in einem Trotzdem-Glauben: Dennoch bleibe ich an dir.

 

Jesus wurde am Kreuz angenagelt, mit weit ausgebreiteten Armen. So, nur so begegnet dir Gott. Nicht mit der Faust, nicht mit dem erhobenen Zeigefinder oder dem Stinkefinger. Du bist ein passionierter Jäger? Gott brennt leidenschaftlich für seine Menschen, liebt leidenschaftlich, darum diese Passion. An Jesus kannst du Gottes leidenschaftliche Liebe erkennen, Hubertus.

 

Das haut ihn um. Davon ist er fasziniert, hingerissen. Das ist mehr, stärker, größer als alles, was er in seinem Jägerleben erlebt hat. Jesus sagt: Wer sein Leben findet, der wird´s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird´s finden.

 

Hubertus ist einer, der alles, was er machte, ganz gemacht hat, zweihundertprozentig. Er hört auf zu jagen, geht ins Kloster, gründet ein Kloster.

 

Ach ja, offensichtlich hat er die Jagd so ganz nicht hinter sich gelassen. Der Hubertushund wurde ursprünglich in einem Ardennenkloster gezüchtet. Von irgend jemand müssen die Mönche das ja nun gelernt haben, einen exzellenten Schweißhund, der ausschließlich für den französischen König und Adel da war, zu züchten und auszubilden.

 

Hubertus ist ein Heiliger, einer, der Ecken und Kanten hat. Wie gesagt, das haben Heilige so an sich. Man soll sich an ihnen reiben, mit ihnen beschäftigen und so Anregungen für sein eigenes Leben bekommen. Ich kann mir vorstellen, heute wäre Hubertus ein passionierter, waidgerechter Jäger, ein Naturfreund, ein Umweltschützer, der sich mit ganzer Kraft für Gottes geliebte Welt einsetzt und dabei gleichzeitig gepackt, erfüllt und motiviert ist von der Passion Gottes, die der im Gekreuzigten gezeigt hat.