Landesjägerschaft Niedersachsen lehnt Gesetz zur Intervallbejagung ab

Novellierung des § 26 des NJagdG wird trotz erheblicher Bedenken vieler Verbände umgesetzt

© Rolfes/DJV

Die Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. (LJN) lehnt das heute vom Niedersächsischen Landtag verabschiedete Gesetz zur Änderung des Paragraphen 26 des Niedersächsischen Jagdgesetzes entschieden ab. Bei der Gesetzesänderung geht es im Kern um die bereits im Jahr 2014 angekündigte Einführung einer Intervallbejagung in Vogelschutzgebieten. Damals hatte der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags das Vorhaben gestoppt, weil das jetzige Nds. Jagdgesetz eine Intervalljagd nicht zulässt.

Künftig soll nunmehr in Vogelschutzgebieten die Jagd auf Wasserfederwild, wie Gänse und Enten, nur noch abwechselnd in ausgewiesenen Teilräumen durchgeführt werden dürfen. Die Teilräume, in denen gejagt werden darf bzw. die Jagd ruht, sollen sich abwechseln. Damit wird die Jagd nochmals eingeschränkt. In Anbetracht der stetig ansteigenden Gänsebestände ist diese nochmalige Verkürzung der Jagdzeit weder fachlich nachvollziehbar noch wildbiologisch begründet:

„Die Gänsepopulationen Niedersachsen erlauben – und bedürfen auch – einer nachhaltigen Bejagung. Nichts ist in diesem Zusammenhang kontraproduktiver als weitere Einschränkungen der Jagdzeiten“, so Clemens Hons, Justitiar der Landesjägerschaft Niedersachsen. Der Blick in die Niederlande zeige, wohin eine falsche „Schutzpolitik“ führe: Nachdem dort eine Zeit lang die Bejagung weitestgehend ausgesetzt worden war, müssen nun jährlich Tausende Gänse vergast werden. „Solche Verhältnisse kann in Niedersachsen doch niemand ernsthaft wollen“, so Hons weiter.

Besonders ärgerlich sei einmal mehr das politische Vorgehen im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung: „Die fachlichen Bedenken gegen die stete Einschränkung der Jagdzeiten insbesondere bei den Gänsen sind spätestens seit der Diskussion um die Jagdzeitenverordnung im Jahr 2014 voll auf bekannt und wurden zuletzt nochmals von vielen maßgeblichen Verbänden im Rahmen der Verbändeanhörung zu dieser Novelle ausführlich dargestellt“, so der LJN-Justitiar. Dass eine Landesregierung über dieses Votum der Verbände einfach hinweggehe ohne nennenswerte Änderungen aufzunehmen, sei bezeichnend für das politische Handeln beim Thema Gänse. „Eine Dialogkultur, wie sie insbesondere das grün geführte Landwirtschaftsministerium immer wieder betont, sieht aus unserer Sicht deutlich anders aus“, so Hons weiter.

Im Rahmen der Verbandsbeteiligung zur Jagdzeitenverordnung im Jahr 2014 hatten 11 der 15 Verbände, die eine Stellungnahme abgegeben haben, bereits Bedenken gegen das Vorhaben der Landesregierung vorgetragen. Im Zusammenhang mit der Verbandsanhörung zur Novellierung des § 26 des NJagdG Mitte Mai dieses Jahres formulierten die beteiligten Verbände ihre Ablehnung noch deutlicher. Von insgesamt sieben Verbänden äußerten - neben der Landesjägerschaft fünf weitere Verbände, darunter das Landvolk und der Zentralverband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer – grundsätzliche Einwände gegen den Entwurf.  Die kommunalen Spitzenverbände sprachen gar von einem „Verordnungs-Trojaner“. Nur einem Naturschutzverband ging der Gesetzentwurf nicht weit genug.                                                                                                                                                                                                   
Zu befürchten sei, dass das Landwirtschaftsministerium mit der Änderung des § 26 versuche seine Chancen bezüglich der 11 Normenkontrollanträge, die gegen die seit Oktober 2014 geltende Jagdzeitenverordnung beim OVG Lüneburg abhängig sind, nachträglich zu verbessern. Diese werden von der LJN und dem ZJEN unterstützt und deren Urteile gelte es abzuwarten, so der LJN-Justitiar.  

Auch inhaltlich hat die Landesjägerschaft weiterhin erhebliche Bedenken gegen die nun gesetzlich geschaffene Intervallbejagung:

Seit Jahren verläuft die Bestandsentwicklung bei den Gänsen positiv, auch und gerade in Ostfriesland, wo viele der Vogelschutzgebiete liegen. Die Jagdausübung nach bisherigen Muster gefährdet in keinem dieser Gebiete ursächlich den geforderten guten Erhaltungszustand einer wertgebenden Art. Die immer wieder herangezogene EU-Vogelrichtlinie wird zudem einseitig interpretiert, um sie als vermeintliche Begründung anführen zu können: Für die Umsetzung der dort formulierten Beschränkungen der Jagd während der Nistzeit oder einzelner Phasen der Brut- und Aufzuchtzeit oder bei Zugvögeln während ihres Rückzuges zu den Nistplätzen, bedarf es keiner Umsetzung durch eine Intervallbejagung im Herbst und Winter. Im Gegenteil verpflichtet die Vogelrichtlinie das Land in Artikel 11 ausdrücklich, dafür Sorge zu tragen, dass „sich die etwaige Ansiedlung wildlebender Vogelarten, die im europäischen Hoheitsgebiet nicht heimisch sind, nicht nachteilig auf die örtliche Tier- und Pflanzenwelt auswirkt“ – Nil- und Kanadagänse gehören zu diesen Arten, auch sie erhalten nun weitere Schonzeit.

Auch der Hinweis, dass die Gesetzesänderung der Entschließung des Landtages aus dem Jahr 2014 vorweggreift worin die Landesregierung aufgefordert wird, ein „wissenschaftlich fundiertes Gänsemonitoring und – management“ am Beispiel der Regionen im Nordwesten des Landes zu entwickeln – insbesondere also in den Gebieten, in denen sich die von der Landesregierung definierten Vogelschutzgebiete befinden – sei unbeantwortet geblieben. Ergebnisse dieses Projektes liegen noch nicht vor. Insofern greift die gesetzliche Regelung dem Ergebnis dieses auf drei Jahre angelegten und etwa 1,2 Millionen teuren Forschungsvorhaben vor und lässt  die Landtagsentschließung obsolet werden.


Aus juristischer Sicht ist festzuhalten, dass durch das Gesetz dem Parlament originär zustehende Rechte ausgehöhlt werden: Die Bildung von Teilräumen und die Festlegung von abweichenden Jagdzeiten sind Eingriffe in das Jagdausübungsrecht und damit Eingriffe in das Eigentumsrecht – es ist allein die Aufgabe des Parlaments, solch weitgehende Regelungen zu treffen. Losgelöst ob per Ermächtigung direkt durch die oberste Jagdbehörde – wie im Ursprungsentwurf vorgesehen – oder per Erlass über die unteren Jagdbehörden wie nun im Gesetz geregelt, durch den dynamischen Verweis im Gesetzestext habe das Parlament keine Möglichkeit der Mitwirkung mehr.